Warum schreiben Fans Fan-Fiction?

Die Gründe für (beginnende) Autoren oder Fans Fan-Fiction zu schreiben sind unterschiedlich und vielfältig.
Für einige ist es eine Art von Komfort oder Flucht, Entspannung oder Übung. Einige Autoren beginnen mit Fan-Fiction um ihr Handwerk zu üben, andere, um sich zu entspannen oder zu träumen. Abgesehen von dieser romantisierten Form von Fan-Fiction-Autoren gibt es selbstverständlich auch solche, die einen satirischen Ansatz verfolgen. Die Gründe sind also eben so vielfältig wie die Autoren: Jeder kann Fan-Fiction schreiben und hochladen. Dabei werden vor allem die im vorherigen Kapitel erwähnten Universen und Regeln behandelt. Entweder, indem diese gebrochen und neu erfunden, oder einfach durch eine andere Perspektive erzählt werden.

Alternative Universen und andere Zufluchtsorte

"Warum sollte eine total absurde Narrative, die überhaupt nichts mit der ursprünglichen Geschichte gemeinsam hat, denn interessant sein?"
Fragt sich jetzt vielleicht der ein oder andere Leser. Die Antwort ist ein wenig komplexer, als es vielleicht auf den ersten Blick den Anschein hat.
Sich mit einer narrativen Welt zu identifizieren, die Charaktere und Orte kennenzulernen ist etwas, dass viele Leser anspornt, eine Geschichte überhaupt zu lesen.
Fiktion kann eine Zuflucht sein, lässt den Leser eine andere Welt erkunden, entdecken und bietet eine willkommene Alternative zur realen Welt. In einer guten Geschichte schafft es der Autor, den Leser von seinem Universum und den Charakteren zu überzeugen.
Der Leser identifiziert sich mit diesen und fühlt mit, während diese sich auf ein Abenteuer begeben, bekämpfen, streiten, lieben oder sterben. Die Geschichte fesselt den Leser so sehr, dass er mehr darüber wissen will. Er möchte die Welt und das Universum weiter erkunden, die Charaktere besser kennenlernen, oder das Ende einer Geschichte nicht akzeptieren, ändern oder weitererzählen.
Und hier kommt Fan-Fiction ins Spiel: Es gibt dem Fan die Möglichkeit, die Story auf seine eigene Weise erneut zu erleben oder weiterzuentwickeln. Er kann die Charaktere neue Abenteuer erleben oder neue Beziehungen führen lassen, die der ursprüngliche Autor nicht vorgesehen hat. Nicht immer spielt der Aspekt von Liebe und Beziehungen eine Rolle, allerdings ist dieser Teil definitiv etwas, dass in den meisten Fan-Fictions aufgegriffen wird.
"Wieso sollten die Charaktere aber trotzdem in ein anderes Universum geworfen werden, und hat das Ganze dann überhaupt noch etwas mit der ursprünglichen Geschichte zutun?"
Fragt sich jetzt vielleicht jemand, nachdem er diesen doch sehr schwammigen Text über Liebe und Interesse von Fans zu Fiktion gelesen hat.
Die Charaktere in ein anderes Universum mit neuen Regeln und Umgebungen zu werfen, hat den Vorteil, dass diese im Gegensatz zu der ursprünglichen Geschichte, andere Erfahrungen machen oder anderen Gefahren ausgesetzt sind. Die Charakterzüge, Aussehen und Auftreten der bekannten Charaktere wird übernommen, allerdings müssen diese sich anderen Aufgaben stellen.
Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung der Charaktere und den Beziehungen, die sie pflegen, als auf dem (fiktiven) Universum der ursprünglichen Geschichte.
Auf diese Art und Weise können neue Regeln eingeführt werden. So entsteht eine teilweise unabhängige Erzählung vom ursprünglichen Werk, mit neuen Aspekten, die tatsächlich nicht zwangsweise etwas mit dem Original zutun haben.
In einem Original-Werk wird die Geschichte nur durch einen Standpunkt erzählt, den des Autors. Dabei fokussiert sich der Autor selbstverständlich nur darauf, seine eigene Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte hat allerdings extrem viele Facetten und wird durch verschiedene und unterschiedliche Charaktere, Gegebenheiten und Orte erst wirklich interessant.
Nun kann es aber sein, dass der Lieblings-Charakter der Fangemeinde nur wenig Screentime hat oder nicht der Protagonist ist.
Durch Fan-Fiction können Fans mehr Inhalte zu diesem Charakter lesen, welcher wiederrum von anderen Fans und nicht durch den Original-Autor produziert wurde. Somit entsteht eine extrem große Vielfalt an Erzählungen und neuen Geschichten, die sich an dem Original orientieren.
Es werden Lücken gefüllt, die im Original nicht erkundet oder ausgeführt werden können.
“Fanfiction is what literature might look like if it were reinvented from scratch after a nuclear apocalypse by a band of brilliant pop-culture junkies trapped in a sealed bunker. They don't do it for money. That's not what it's about. The writers write it and put it up online just for the satisfaction. They're fans, but they're not silent, couchbound consumers of media. The culture talks to them, and they talk back to the culture in its own language.”
- Lev Grossman
Übersicht